Fluss und umliegende Landbereiche, die Aue, bilden eine funktionelle Einheit in vielerlei Hinsicht. Die klaren Grenzziehungen zwischen Wasser und Land sind ein typisch menschliches Konstrukt, wohl eher auf dem Schreibtisch der Verwaltungen geboren und ohne sinnvolle Entsprechungen in der Wirklichkeit. Fließgewässer haben ein wechselhaftes Gesicht. Je nach Landschaft durch die sie fließen und je nach Jahreszeit und Wetter verändern sie ihren Charakter und das teilweise binnen kurzer Zeiträume.
Gewässer treten im flachen Norddeutschland natürlicherweise oft und lange während der feuchten Wintermonate über die Ufer. In diesen Hochwasserperioden entledigen sich die Gewässer einer Fracht, die sich ansonsten ungünstig auf die Gewässerökologie auswirken würde. Sand, Schlamm und große Mengen an Nährstoffen lagern sich in der Aue ab und formen diesen dynamischen Lebensraum, der mit üppiger Vegetation reagiert.
Nährstoffe und Platz waren rar, weswegen die Auen unter einen Nutzungsdruck gerieten, der sie häufig ihrer positiven Funktionen für das Gewässer beraubte. Mit traurigen Folgen für die Lebewesen der Gewässer und Auen. Heute sind beispielsweise weniger als 5 % der niedersächsischen Gewässer in einem guten ökologischen Zustand. Die Aue gilt als einer der stärksten gefährdeten Lebensräume überhaupt. Der normale Vorgang der Ausuferung bei Hochwasser bedroht heutzutage, zumal im urbanen Einzugsgebiet, Eigentum und Infrastruktur. In der Vergangenheit galt deswegen der Optimierung des Abflusses das Hauptaugenmerk. Das geschieht allerdings stets zum Nachteil des unteren Gewässeranliegers, welcher so noch größere Lasten zu tragen hat… das St. Florian Prinzip.
Eine intakte Aue und ein Einzugsgebiet, die den Abfluss von Starkregenereignissen verzögert abgeben, ist das Ziel einer nachhaltigen Wasserwirtschaft. Entsiegelung, dezentrales Wassermanagement, Dachbegrünung, Anlage von Rückhaltebecken und Reduzierung der Nutzung von Flächen in der Aue sind Maßnahmen, die Überschwemmungen reduzieren helfen und gleichzeitig der Gewässerökologie nutzen.